zum Thema Häusliche Gewalt während der Corona-Pandemie
Rund 3 Prozent der Frauen in Deutschland wurden in der Zeit der strengen Kontaktbeschränkungen zu Hause Opfer körperlicher Gewalt, 3,6 Prozent wurden von ihrem Partner vergewaltigt. In 6,5 Prozent aller Haushalte wurden Kinder gewalttätig bestraft. Dies zeigt die erste große repräsentative Umfrage der TU München zu häuslicher Gewalt während der Corona-Pandemie. Waren die Frauen in Quarantäne oder hatten die Familien finanzielle Sorgen, lagen die Zahlen deutlich höher. Nur ein sehr kleiner Teil der betroffenen Frauen nutzte Hilfsangebote.
Von einer Zunahme häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder während der Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen im Rahmen der COVID- 19 Pandemie gehen auch die Mitarbeiterinnen der Würzburger Frauenhäuser von Arbeiterwohlfahrt - AWO und Sozialdienst katholischer Frauen e.V - SkF aus. Doch wie lässt sich erklären, dass die Leiterinnen der beiden Frauenhäuser die derzeitige Situation in Würzburg als ungewöhnlich ruhig beschreiben?
Sie vermuten, dass Frauen aktuell mit der Betreuung der Kinder zu Hause und Home-Schooling ausgelastet sind und nicht nebenbei nach Beratungsmöglichkeiten bei vorliegender Gewaltproblematik suchen. Auch Ängste vor der Infektion in einem Frauenhaus, das Bestreben der Familie nach Zusammenhalt in Krisenzeiten sowie Kontrolle durch den Partner können verhindern, dass Frauen Kontakt zum Frauenhaus aufnehmen.
Die Region 2, für die die beiden Würzburger Frauenhäuser zuständig sind, ist eine eher ländliche Gegend. Generell werden im ländlichen Raum weniger Anfragen verzeichnet als im städtischen. Die Hemmschwelle, Gewalt öffentlich zu machen, beispielsweise durch Hinzuziehen der Polizei, ist hier höher. Auch die Haltung, dass man sich nicht trennt, wenn mal „Probleme“ auftreten, dürfte hier noch weiter verbreitet sein als in der Stadt.
Zugangswege zum Frauenhaus waren durch Corona-Beschränkungen erschwert
Knapp drei Viertel aller Anfragen bzgl. einer Aufnahme ins Frauenhaus kommen durch professionelle Dienste und Kooperationspartner (Kinderbetreuungseinrichtungen, SPFHs, Beratungsstellen, etc.) sowie soziale Kontakte. Diese Zugangswege wurden durch die Corona-Beschränkungen erschwert.
Bereits während der Beschränkungen des öffentlichen Lebens starteten die Würzburger Frauenhäuser deshalb verschiedene Aktionen dort, wo betroffene Frauen anzutreffen sind. In Supermärkten und anderen öffentlich gut sichtbaren Plätzen wurden in den letzten Wochen in der gesamten Region Plakate ausgehängt und Notfallkarten mit den Telefonnummern beider Frauenhäuser ausgelegt. Denn oft wissen Frauen nicht, wo sie Hilfe erhalten können. Die Plakate sollen nicht nur betroffene Frauen ansprechen: Nachbar*innen kriegen oft am schnellsten mit, wenn nebenan etwas passiert. Wichtig ist, die kritische Situation nebenan zu unterbrechen, z.B. unter einem Vorwand zu klingeln und ganz klassisch nach Zucker oder Eiern zum Kuchen backen fragen und im Notfall die Polizei zu rufen.
Frauenhäuser stehen betroffenen Frauen uneingeschränkt zur Verfügung
Seit 40 Jahren kooperieren die beiden Würzburger Frauenhäuser von AWO und SkF im Rahmen des Würzburger Modells und sind Teil des Hilfesystems bei der Versorgung gewaltbetroffener Frauen und Kinder. Auch zu Corona-Zeiten stehen die beiden Würzburger Frauenhäuser von AWO und SkF als Schutzraum uneingeschränkt zur Verfügung. Unabhängig von der Aufnahme in das Frauenhaus wird telefonische und persönliche Beratung zur Krisenintervention und zur psychosozialen Hilfe angeboten. Diese Möglichkeit richtet sich an Frauen, die in Gewaltbeziehungen leben, aber auch an Angehörige, Nachbar*innen, Arbeitskolleg*innen etc., die Unterstützung und Information suchen.
Beratung auch pro-aktiv
Ein weiteres Angebot ist die pro-aktive Beratung: wird die Polizei wegen häuslicher Gewalt gerufen, kann diese anschließend, mit Zustimmung der betroffenen Frau, ihre Kontaktdaten an die Beratungsstelle weiterleiten. Die Kontaktaufnahme erfolgt dann durch die Beratungsstelle.
Die Frauenhausmitarbeiterinnen hoffen mit ihrer Öffentlichkeitsarbeit viele gewaltbetroffene Frauen zu erreichen und über Wege aus der Gewaltbeziehung zu informieren. Für den Fall, dass die Anfragen zunehmen und die Plätze der Frauenhäuser nicht ausreichen, wurden in Zusammenarbeit mit den Kommunen vorübergehend Ausweichmöglichkeiten geschaffen.
Die beiden Würzburger Frauenhäuser sind 365 Tage im Jahr rund um die Uhr erreichbar.
Brita Richl, Leiterin des AWO-Frauenhauses: 09 31 – 61 98 10
Franziska Boes, Leiterin des Frauenhauses im SkF: 09 31 – 45 00 777
Claudia Jaspers
Foto von Ulrike Mai auf pixabay