„Hier kriegst du garantiert Hilfe“ - Vor 40 Jahren begann der Würzburger SkF mit Aufsuchender Erziehungsberatung
Stärken Familien in der Zellerau (von links): Petra Wurzbacher, Verena Delle Donne, Doris Mitschka und Carolin Vollmuth. Foto: SkF Würzburg
Wenige Monate, nachdem sie in Deutschland angekommen war, hatte sich Maya B. (Name geändert) von ihrem Mann getrennt. Er hatte sie unterdrückt. Manchmal auch misshandelt. Seither zieht die Mutter aus Syrien ihre drei Kinder alleine groß. „Das macht sie sehr gut“, sagt Doris Mitschka von der Aufsuchenden Erziehungsberatung (AEB), der Nebenstelle des Psychotherapeutischen Beratungsdienstes im Sozialdienst katholischer Frauen (SkF). Allerdings: Leicht ist das Leben für Maya B. nicht.
Menschen in erschwerten Lebenslagen erreichen
Maya B. und ihre Kinder gehören zu den rund 120 Familien, die derzeit vom dreiköpfigen Team der Aufsuchenden Erziehungsberatung in der Zellerau begleitet und unterstützt werden. Die Stelle selbst gibt es seit 40 Jahren. Lange war das Konzept von aufsuchender Erziehungsberatung in Nordbayern einmalig. Inzwischen hat die Politik erkannt: Erziehungsberatungsstellen dürfen nicht nur darauf warten, dass Familien irgendwann selbst den Weg zu ihnen finden. Denn das schaffen nicht alle. Manche Familien sind darauf angewiesen, dass die Expertinnen der Beratungsstelle auf sie zugehen. Das passiert in der Zellerau über niederschwellige Zugänge, wie zum Beispiel: Vergabe des Tafelscheins für Familien aus dem Stadtteil, Nutzung der Kleiderkammer, Zuwendung über zweckgebundene Spendenfonds, Teilnahme am Kommunionprojekt und ähnliche Angebote. Ziel ist es, die Menschen in ihrer erschwerten Lebenslage zu erreichen.
2018 erhielten alle Erziehungsberatungsstellen im Freistaat eine halbe Stelle für aufsuchende Arbeit. Auch der von Dr. Verena Delle Donne geleitete Psychotherapeutische Beratungsdienst im SkF wurde um eine halbe Stelle aufgestockt.
Parallel arbeitet das AEB-Team im Stadtteil Zellerau in bewährter Form weiter, wobei sich die Arbeit in mehrfacher Hinsicht gewandelt hat. Schwester Marianne Klingspor entwickelte 1979 die Idee „AEB“. „Sie ging wirklich von Tür zu Tür“, sagt AEB-Mitarbeiterin Carolin Vollmuth. Heute existieren unterschiedliche Wege, wie Familien in Kontakt mit den Beraterinnen der AEB kommen. Vollmuth: „Oft geschieht dies durch Mund-zu-Mund-Propaganda.“
So war es auch im Fall von Maya B. Sie lernte auf dem Spielplatz eine ebenfalls in der Zellerau wohnende Mutter aus Syrien kennen. Maya B. erzählte ihr irgendwann von ihren Problemen. Unter anderem war ihre Situation finanziell gerade sehr schwierig. „Ich weiß eine Stelle, da helfen sie dir garantiert“, meinte die neue Bekannte und nahm Maya B. vor einigen Monaten mit in den Offenen Treff der AEB, der jeden Montag von 9.00 bis 11.30 Uhr stattfindet.
Maya B. verhielt sich bei dieser ersten Begegnung sehr zurückhaltend aber der erste Kontakt war hergestellt. „Ihre Bekannte sprach mit uns“, erzählt Doris Mitschka vom AEB-Team. Wie sich herausstellte, hatte Maya B. Probleme, das Kita-Essen für ihren jüngsten Sohn zu finanzieren. Außerdem wusste sie nicht, woher sie Frühjahrskleidung für ihre Kinder bekommen sollte.
Eine Woche später kam Maya B. wieder in die Beratungsstelle. Diesmal hatte sie sich getraut, alleine zu kommen. In ihrer Tasche befand sich der Bescheid vom Jobcenter, der bestätigte, dass sie von Hartz IV lebt. Mitschka: „Wir gaben ihr daraufhin aus unserem Spendenfonds Geld für das Kita-Essen.“ Außerdem machte sich Mitschka zusammen mit Maya B. auf den Weg in die Kleiderkammer, wo sich die junge Mutter Hosen, Jacken und T-Shirts für ihre Kinder aussuchen konnte.
„Gerade auf solchen Wegen erfahren wir viel von den Frauen“, erklärt Petra Wurzbacher vom AEB-Team. So erwähnte Maya B. nebenbei, dass ihr mittlerer Sohn sich so sehr wünscht, in einen Fußballverein zu gehen. Doch wie sollte sie den Vereinsbeitrag finanzieren? Woher Fußballschuhe nehmen? Dass es ein Bildungs- und Teilhabepaket gibt, davon hatte Maya B. noch nichts gehört. Das erfuhr sie von der AEB-Beraterin. Diese war sogar bereit, sie zu Hause zu besuchen um den Antrag, den Maya B. aufgrund ihrer mangelhaften Deutschkenntnisse nicht verstand, mit ihr zusammen auszufüllen.
Starker Einsatz für sozialen Zusammenhalt und Begegnung in der Zellerau
Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund machen einen großen Teil der begleiteten Familien aus. Das scheint aufgrund der Einreisewelle im Jahr 2015 auf der Hand zu liegen. „Tatsächlich haben wir jedoch schon immer viel mit zugewanderten Familien aus Krisenregionen wie zum Beispiel Sri Lanka, Osteuropa und Afrika zu tun“, sagt Wurzbacher.
Daneben gibt es heute wie vor 40 Jahren auch deutsche Familien, die in prekären Verhältnissen leben. „Darüber“, sagt Petra Wurzbacher, „dürfen die repräsentativen Neubauten, die im Zuge der Maßnahme Soziale Stadt entstanden sind, nicht hinwegtäuschen“. Zwar hat die Zellerau auf den ersten Blick heute nichts mehr von sozialem Brennpunkt - man denke nur an die zahlreichen positiven Veränderungen wie das Kletterzentrum, die Freizeitanlagen am Main, das neue DJK-Gelände, das Jugendzentrum und die attraktiven Einkaufsmöglichkeiten - doch nach wie vor leben hier viele Familien unter finanziell schwierigen Umständen in Schlicht- oder Verfügungswohnungen.
Dass in der Zellerau inzwischen Menschen von sehr unterschiedlichem sozialem Status wohnen, empfindet das AEB-Team als Chance und Herausforderung zugleich. „Wir setzen uns deshalb stark für sozialen Zusammenhalt und Begegnung in der Zellerau ein“, sagt Mitschka. Das inzwischen vom SkF organisierte Quartiersmanagement ist hierfür ein wichtiger Kooperationspartner.
Der größte Wunsch von Dr. Verena Delle Donne, Petra Wurzbacher, Doris Mitschka und Carolin Vollmuth zum 40. AEB-Geburtstag ist es, weiterhin Menschen in besonders erschwerten Lebenslagen zu erreichen und zu unterstützen, um vor allem den Kindern einen besseren Weg in die Zukunft zu ermöglichen.
Claudia Jaspers