Pressebericht und Fotos von Daniela Schneider erschienen am 16. Oktober in der Schweinfurter Ausgabe der Mainpost. Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Autorin.
St. Ludwig – Seit einigen Tagen gibt es im idyllischen Park des Antonia-Werr-Zentrums ein Sonnendeck mit Ruhezone, eine Chilloase und eine Traumecke mit einem wahrlich traumhaften Blick in die weite Landschaft Richtung Wipfeld. Von weit her hört man schon Gelächter, einige Mädchen haben gerade mächtig Spaß auf dem neuen wippe-ähnlichen Holzkonstrukt am Schwimmteich und feuern dabei gleichzeitig Gesamteinrichtungsleiterin Anja Sauerer an, die sich auf dem Floß über den Schwimmteich zieht.
Die neuen hölzernen Einbauten sind das Ergebnis eines großartigen, ja eigentlich einzigartigen Projektes mit dem Heilpädagogischen Seminar Würzburg, wie Anja Sauerer bei der offiziellen Übergabe der Einbauten stolz erläuterte. Kurz zur Vorgeschichte: Im zweijährigen Turnus wird an der Fachakademie für Heilpädagogik im SkF (Sozialdienst katholischer Frauen) Würzburg eine Seminargruppe ausgebildet, die im Rahmen der Ausbildung auch projektbezogen Heilpädagogische Einbauten in sozialen Einrichtungen realisiert. Die eingehenden Bewerbungen werden im Seminar nach Prüfung der personellen und finanziellen Realisierbarkeit ausgewählt, anschließend wird alles besichtigt und maßgetreue Modelle gefertigt. Mal wurde ein Therapieraum neu gestaltet, mal ein Aufenthaltsraum optimiert, gebaut wird stets nach den Leitlinien der Heilpädagogik und dem Prinzip „Bauen für Geborgenheit“.
Einbauten in der Natur standen allerdings bis jetzt noch nicht auf dem Plan und so waren die 20 aktuellen Studentinnen mit ihren Ausbildungsleiterinnen Lucia Schäfer, Britta Leonhardt-Kuschner und Dozentin Susanne Zöller begeistert, als die Bewerbung vom Antonia-Werr-Zentrum auf den Seminartisch flatterte und sie entschieden, mit „geballter Kraft“ gleich alle drei vorgeschlagenen Projekte dort zu verwirklichen. Ganz im Sinne der gelebten Partizipation bezogen die Studierenden „liebevoll und praxisnah“ – so Anja Sauerer – den einrichtungseigenen LuiRat (Heimrates zur Mitbestimmung) in den Ideenfindungsprozess mit ein. Die Lui-Rätinnen wiederum streckten vorab im Antonia-Werr-Zentrum die Fühler aus und erkundeten, was sich die Hausgemeinschaft dort am meisten wünschen würde.
So sind nach den gemeinschaftlichen Ideen vieler, heilpädagogische Einbauten, diesmal eigentlich eher Außenbauten entstanden, die nach den Leitlinien der Traumapädagogik als sichere Orte für die Mädchen fungieren. Rückzugsorte im Park, an denen sie sich geborgen und beschützt fühlen, unmittelbar für die Natur sensibilisiert werden, zur Ruhe kommen, es aber auch lernen, sich selbst „in Ruhe auszuhalten“, wie es der stellvertretende Gesamtleiter Alfred Hußlein so treffend beschreibt. Man spürt die spirituelle Kraft, die von diesem gemeinschaftlichen Projekt ausgeht, das Verhältnis aller Beteiligten ist freundschaftlich, die Zusammenarbeit hat bestens funktioniert. Die Mädels des Antonia-Werr-Zentrums sind begeistert von dem, was die 20 Studentinnen da für sie geschaffen haben und gleichzeitig sehr stolz, wie die 20jährige Sabrina erzählt, dass sie dabei mithelfen durften. Die 16jährige Lara stimmt ihr da voll zu, doch nicht nur die Lui-Rätinnen, auch andere Mädchen und junge Frauen haben an den Nachmittagen ihre Freizeit beim Hämmern, bohren und Materialschleppen verbracht. Auch das ist ungewöhnlich, dass die „Begünstigten“ so aktiv eingebunden sind, wie Dozentin Lucia Schäfer erklärt.
Für die Studentinnen war diese Aktion etwas ganz Besonders, wie sie erzählen: nicht nur in ausbildungstechnischer, sondern auch in seminarverbindender Weise, alle sind noch mal ein wenig enger zusammengerutscht. Die eher ungezwungene Zusammenarbeit mit den Mädchen schulte dazu das therapeutische Auge, toll war es auch, mal „so richtig anzupacken“, etwas zu schaffen mit materiellem, langlebigen Bestand, auch wenn die etwa eineinhalb Wochen, die sie gemeinsam mit Schreinermeister Friedemann Wolpold im Antonia-Werr-Zentrum emsig bei Wind und Wetter gewerkelt haben, teilweise schon anstrengend waren, die jüngste Seminarteilnehmerin war übrigens 22, die älteste 50.
Doch das beeindruckende Ergebnis lässt die handwerklichen Plackererein ganz schnell vergessen. Aus Lärchenholz sind wunderbare Dinge entstanden: ein großes Sonnendeck am Badesee mit liebevoll herzförmigen Aussparungen für die alten Bäume dort und der Holzliegwippe, eine Chillout-Area mit einem riesigen hölzernen Day-Bed und eine strandkorbähnliche Liegekonstruktion von der man durch einen großen hölzernen Rahmen direkt ins Weite träumen und sich an einen inneren sicheren Ort begeben kann. Über der Konstruktion schweben einige bunte, aufgespannte Regenschirme, die allerdings der Herbstwind schon ziemlich durcheinander gewirbelt hat. Finanziert wurden die 12.000 Euro teuren Einbauten übrigens von den Bußgeldern, die die Gerichte gemeinnützigen Einrichtungen zuweisen, gut angelegt also für ein sicheres Gefühl der Geborgenheit.
Daniela Schneider