Seit Jahren steigt die Zahl von Menschen, die von (Ex-) Partnern erniedrigt und geschlagen werden wobei die Mehrheit der Betroffenen Frauen sind. Ein Frauenhaus kann den Frauen Schutz bieten.
Für viele Betroffene stellt das Frauenhaus nicht nur einen Zufluchtsort dar, sondern auch eine entscheidende Chance, sich aus einer unerträglichen und erniedrigenden Beziehung zu lösen. Der Aufenthalt im Frauenhaus stellt häufig einen biografischen Wendepunkt für sie dar, insbesondere weil ihre Selbstständigkeit zuvor systematisch untergraben wurde. Im Frauenhaus erhalten sie die Möglichkeit, einen eigenständigen Weg in ein gewaltfreies Leben einzuschlagen. Doch wie geht es für die Frauen nach dem Frauenhaus-Aufenthalt weiter?
Um den Übergang vom Frauenhaus in ein gewaltfreies, selbstständiges Leben umfassend zu begleiten, wurde im Januar 2024 Second-Stage als neuer Arbeitsbereich in das SkF-Frauenhaus integriert. Das Projekt „Second-Stage“ gibt es in Bayern seit 2020 und wird vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales gefördert. Das Hauptziel von Second-Stage ist es, zu verhindern, dass Frauen aufgrund fehlender Perspektiven in gewaltgeprägte Beziehungen zurückkehren oder in die Wohnungslosigkeit geraten. Gleichzeitig trägt Second-Stage dazu bei, die Frauenhäuser zu entlasten, indem es Frauen ermöglicht, schneller in eine stabile Wohnsituation überzugehen.
„Wir haben nun mehr personelle Ressourcen, um Frauen dabei zu unterstützen eine eigene Wohnung zu finden und sich langfristig ein stabiles Umfeld aufzubauen“, erklärt Theresa Jörg, Leiterin des Frauenhauses.
Wie wichtig diese Hilfe ist, zeigt das Beispiel von Frau O. und ihren Kindern. Die Familie lebte seit Januar 2023 im Frauenhaus und suchte verzweifelt nach einer eigenen Unterkunft. „Letztes Jahr im Oktober haben wir die Presse kontaktiert, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen, “, berichtet Jörg. Mit Erfolg: „Es meldeten sich ein paar Vermieterinnen und Vermieter, die tatsächlich Wohnungen für unsere Frauen anboten. Nicht jede Wohnung passte von Größe oder Mietpreis her – aber wir waren über jedes Angebot unglaublich dankbar.“
Und dann die Wendung zum Guten: „Und tatsächlich,“ so Jörg, „es war eine Wohnung dabei, die perfekt für Familie O. geeignet war!“
Allein im Jahr 2024 hatte Frau O. gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen von Second-Stage über 230 Wohnungsbewerbungen verschickt – alle ohne Erfolg. Umso ungläubiger war ihr Gesichtsausdruck, als sie nach Jahren voller Herausforderungen endlich die Schlüssel zu ihrer eigenen Wohnung in den Händen hielt.
Gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen von Second-Stage stellte sie beim Jobcenter einen Antrag auf ein Kautionsdarlehen. Da sie bei ihrer Flucht ins Frauenhaus sämtliche Möbel in der ehemals gemeinsamen Wohnung mit ihrem Ex-Mann zurücklassen musste, beantragte sie zusätzlich Leistungen für die Erstausstattung ihrer neuen Wohnung. Durch eine Abtretungserklärung erlaubte sie dem Jobcenter, die Mietzahlungen direkt an den Vermieter, statt auf ihr eigenes Konto zu überweisen. Mithilfe von anderen Frauen aus dem Frauenhaus, die über die lange Zeit gute Freundinnen wurden, besuchte sie Möbelhäuser oder Gebrauchtwaren-Läden, um die Wohnung einzurichten. Beim Umzug ihrer Sachen vom Frauenhaus in ihre Wohnung halfen ihr die Mitarbeiterinnen.
Frau O. lebt nun seit zwei Monaten gemeinsam mit ihren Kindern in ihrer eigenen Wohnung. „Endlich haben wir genügend Platz zum Leben“, sagt sie erleichtert. Im Frauenhaus hatten sie sich zu viert ein Zimmer teilen müssen. Ihre zwei Söhne gehen nun in die Grundschule in ihrem Stadtteil und ihre Tochter geht weiterhin auf dieselbe weiterführende Schule in Würzburg, wie vor dem Umzug. Am meisten freuen sich die Kinder darüber, endlich wieder Freunde nach Hause einladen zu können, was im Frauenhaus nicht möglich war, da sie die Adresse geheim halten mussten.
Alle zwei Wochen hat die Familie O. die Möglichkeit am „Nachmittagstreff“ teilzunehmen, einem Freizeitangebot von Second-Stage für aktuelle und ehemalige Frauen des Frauenhauses. So kann die Familie niederschwellig mit dem Frauenhaus in Kontakt bleiben.
In regelmäßigen Abständen kommt außerdem eine Mitarbeiterin von Second-Stage zu Frau O., um aktuelle Anliegen gemeinsam zu besprechen.
Nun, da sich viele Lebensbereiche stabilisiert haben, möchte Frau O. wieder ins Berufsleben einsteigen. In gemeinsamen Gesprächen überlegen sie, welche Tätigkeiten in Frage kommen und wie sich Arbeit und Familienalltag miteinander vereinbaren lassen. Auf Wunsch von Frau O. nahm die Mitarbeiterin ihre Bewerbung unter die Lupe und gab ihr Feedback.
„Frau O. bringt viele Ressourcen mit und hat in den vergangenen Jahren im Frauenhaus ein hohes Maß an Selbstständigkeit entwickelt“, berichtet die Mitarbeiterin. „Ich habe ein gutes Gefühl dabei, unsere regelmäßigen Termine nun schrittweise zu reduzieren und schließlich auslaufen zu lassen. Bei Bedarf kann Frau O. sich aber jederzeit wieder an uns wenden.“
Die Mitarbeiterinnen von Second-Stage stehen bei Bedarf nicht nur den Frauen aus dem Frauenhaus beratend zur Seite, sondern fungieren auch als Ansprechpartnerinnen für Vermieterinnen und Vermieter. Es ist Second-Stage ein Anliegen, dass das Mietverhältnis auch für die Seite der Vermieter:innen zufriedenstellend ist. Wenn Sie Wohnraum anbieten und Frauen auf ihrem Weg in ein selbstbestimmtes Leben frei von Gewalt unterstützen möchten, freuen wir uns über Ihre Kontaktaufnahme unter: 0931 4500777. Für weitere Informationen zur Arbeit von Second-Stage, schauen Sie gerne auf unserer Homepage vorbei: www.second-stage.skf-wue.de
Franziska Hofer
Foto: ketut-subiyanto/pexels